Zum Glockenguss in den Niederlanden
Für das von Mitgliedern des Vereins Historisches Camberg initiierte und klanglich wie gestalterisch konzipierte Amthofglockenspiel stand am 10. Juni ein entscheidender Termin an: Der Glockenguss in der Königlichen Glockengießerei Petit & Fritsen in Aarle-Rixtel, einem kleinen Ort nahe Eindhoven in der niederländischen Provinz Limburg. Der seit 1660 im Glockengießerhandwerk tätige Betrieb hatte unter 5 Bewerbern schließlich den Zuschlag für die Fertigung des Glockenspiels erhalten.
Die Bad Camberger Reisegruppe aus 20 Glockenspenderinnen und Glockenspendern wurde vom Inhaber Frank Fritsen und seinem Mitarbeiter Henk van Blooijs mit niederländischen Süßigkeiten sehr persönlich begrüßt und anschließend bei einem Rundgang durch den Betrieb mit allen Arbeitsschritten der Glockenfertigung vom Aufbau der Lehmform bis zur Feinstimmung des Tons an der Drehbank vertraut gemacht. Die Kulisse der Werkshallen mit haushohem Schmelzofen, Serien von halbfertigen und fertigen Glocken verschiedenster Größen, Dreherei und Metallbauwerkstatt mit alles überragendem Schwerlastkran wurden schrittweise staunend erkundet und vorgestellt. Man konnte sich überzeugen, dass die Glockengießerei Petit & Fritsen aktuell ein weltweit agierender Fachbetrieb mit umfassenden Kompetenzen in der Fertigung und Aufhängung von Glocken und Glockenspielen ist. Zeugen dafür waren zum Versand nach China, Amerika und zu den Philippinen vorbereitete Glocken, nicht zuletzt die zur Auslieferung in ein Kloster bei Kiew bereitstehenden Glocken, reich verziert mit dem firmentypischen Ornamentrand und Widmungen in kyrillischer Schrift. Auch die größte für Bad Camberg geplante Glocke wird dieses besondere Ornament erhalten und wie zwei weitere den Schirmherrschaften Margret und Hans Dyckerhoff - beide bereits verstorben -, Rose und Horst Dyckerhoff sowie Katrin und Peter Dyckerhoff gewidmet sein.
Stapel von Bronzebarren und Glockenbruchstücken schluckte der mit fauchender Gasflamme beheizte Schmelztiegel bis schließlich die Gießtemperatur von 1080 Grad erreicht war und alle die Füllung der 26 für diesen Tag aufgereihten Gussformen erleben durften. Mit Feuerschutzanzügen und -helmen bekleidete Mitarbeiter ließen die gelbflüssige Bronze aus dem am Laufkran hängenden Kipptiegel geschickt in die Füllöffnungen der eisenberingten Formtonnen fließen. Unzählige Fotos wurden geschossen, viele Fragen gestellt, um diese denkwürdigen Momente festzuhalten und die Einzelheiten dieses seltenen Handwerks zu verstehen. Schließlich hatten alle Fahrtteilnehmer eine Glocke mitfinanziert, die mit dem Guss auch eine persönliche Widmung tragen wird. Und natürlich wollte man es deshalb auch genau wissen, welcher Ton im Moment entstand und ob die "eigene" Glocke gerade ihre Form fand.
Mit einer Melodienfolge auf dem in der Gießerei stehenden Musterglockenspiel - dessen Stimmung übrigens genau den für Bad Camberg bestellten 24 Glocken entsprach - endete der für alle sehr beeindruckende Firmenbesuch. Nach einem Mittagessen unmittelbar neben einem rege befahrenen Kanal mit typisch holländischer Hebebrücke waren nicht nur diverse leckere Fische sondern auch vielfältige, begeisternde Eindrücke zu verdauen.
Mit dem erfolgten Glockenguss rückt der Montage- und Einweihungstermin des Amthofglockenspiels näher. Alle am Projekt Beteiligten haben die Termine mit der Stadt insoweit abgestimmt, dass die Montage Ende August am Treppenturm zur Amthofgalerie erfolgen soll. Die Einweihung und musikalische Vorstellung ist als eine Bad Camberger Aktion der hessischen Innenstadtoffensive "Ab in die Mitte" für Samstag, den 10. September, ab 16.30 Uhr im Großen Saal des Kurhauses und anschließend im inneren Amthof geplant.
Bernd Schlösser