Gestalterische Intentionen
Gedanken zum Entwurf von Pia Benk
Die Glocke ist eines der ältesten Kommunikationsmittel der Menschheit. Mit ihrer Geometrie, ihrer Bewegung und dem in die Weite getragenen Klang sind Glocken Sinnbilder für das Zusammenkommen von Menschen: Von überall her, zu einem besonderen Ort hin, früher wie heute, und regelmäßig immer wieder.
Unter dieser Symbolik ist auch der Entwurf für das Glockenspiel im Bad Camberger Amthof gestaltet. Die kompakte Ordnung der Glocken demonstriert die Gemeinsamkeit und den Willen eines Ensembles mehr als die Summe jedes Einzelnen zu sein. Die Anordnung steht für Zusammenklang statt einzelner Töne. Das rechtwinklige Muster spiegelt die historische Kulisse des Fachwerks wider, wie es überall im umgebenden Amthof bewundert werden kann. Dennoch erreicht der Entwurf durch die Verjüngung nach unten und die asymmetrische Spitze nach oben Eigenständigkeit und passt sich, ohne dominant zu sein, in die über Jahrhunderte gewachsenen Besonderheiten im Erscheinungsbild des Amthofes ein.
Die gegenüber einer perfekten Symmetrie fehlende Glocke rechts oben steht für die im Laufe der Geschichte in Bad Camberg verschwundenen Glocken. Die Lücke weckt im Betrachter die Neugierde nach dem Grund des Fehlens zu fragen und hält damit die Erinnerung an vergangene Glockenklänge über Bad Camberg wach. Die von links auf das Ensemble zu treffende Glocke steht für den Willen und die Offenheit einer festen Gemeinschaft , immer wieder auch Neue und Neues aufzunehmen. Jeder neue Ton ist willkommen, den Klang der anderen zu stärken. Er steht auch für die Besonder- und Verschiedenheit einer jeden Glocke, die Voraussetzung für eine Melodie und die Harmonie mit anderen ist.
Die Leichtigkeit der Unterkonstruktion, an der die Glocken hängen, unterstreicht Eigenständigkeit und Dynamik des Glockenspiels. Wohldefinierte Form und Proportion, ohne den Anschein eines erdrückenden Korsetts, geben dem Glockenspiel, ähnlich dem Fachwerk, transparent Rahmen und Halt für sein Erscheinungsbild und für seine Klänge in den öffentlichen Raum hinein.
Dr. Martin Evers