Die Geschichte der Camberger Juden

von Manfred Kunz

Schon im Jahre 1465 hatten vermutlich die ersten Juden in Camberg gelebt. Seit 1576 ist ihre Existenz nachgewiesen. 1662 lebten hier schon fünf Familien mit 32 Personen. Ein reges kulturelles und geistiges Leben war durch die starke Gemeinde schon früh gegeben. Aus den umliegenden Orten kamen sie nach Camberg, um in ihrer Synagoge zu beten. Da es in Idstein nur eine kleine Gemeinschaft gab, kamen auch von dort die Juden nach Camberg.

1756 wurde erstmals eine Synagoge genannt. 1770 kaufte die jüdische Gemeinde in der Hauptstraße ein Haus und richtete im 3. Stock eine Synagoge ein. Im Winter 1775 brach hier ein Brand aus und die Gemeinde musste ihren Gebetsraum aufgeben. In der Hainstraße stand dicht an der Stadtmauer ein kleines Haus, das 1768 Johannes Löb von Heinrich Lottermann kaufte. Es musste sich um ein kleines Haus gehandelt haben, denn im Schatzungsregister von Camberg wird es mit 4 Pfennig Steuer belegt. Mit der Jahreszahl 1773 ist der Name "Löb" gestrichen und mit "Judenschule" ergänzt. Damit hatte die Gemeinde wieder eine Synagoge und Judenschule. Im "Spezialkataster der Bürgerschaft" von 1807 wird als Besitzer die Judenschaft genannt und der Wert mit 130 Gulden angegeben. 10 Jahre später wird im Brandkataster die Grundfläche der Judenschule mit 18x11 Fuß (5,40 x 3,30 Meter = 17,8 qm) aufgeführt. Nachbarn waren rechts Peter Munsch (heute Hainstraße 23) und links Christian Urban (heute Hainstraße 19). Um 1838 erbaute die jüdische Gemeinde in der Schmiedgasse eine neue Synagoge. Das Gebäude in der Hainstraße blieb in ihrem Besitz und diente fortan als Schule, Wohnhaus des Judenlehrers und als Mikwa, ein Judenbad. 1837 ist einem Bericht des Idsteiner Medizinalrats Kleinschmidt zu entnehmen, dass ein kleines Judenbad sich im Keller befand, keine eigene Quelle habe und in sehr schlechtem Zustand sei.

Im Kataster von 1846 hat das Gebäude eine Grundfläche von 5,40 x 7,20 Meter (39 qm). Wahrscheinlich wurde es umgebaut oder erweitert. 1846 wohnte im oberen Stock Lehrer M. Sonnenberg mit seiner Frau und einer Tochter. Hier hatte er eine Küche, Stube und Wohnstube. Um sein jährliches Gehalt von 200 Gulden aufzubessern, bebaute er den Garten im Hain, der sich der Schule bis zum Krimmelbach anschloss. Im Erdgeschoss waren ein Lehrzimmer und das Judenbad eingerichtet. Wahrscheinlich wurde das Bad nach dem Umbau vom Keller hierher verlegt. Nach dem mosaischen Reinheitsgesetz ist das Bad vor den hohen Festtagen und den Synagogengängen von den Männern und Frauen zu benutzen. Es soll reines Quellwasser sein und mindestens 268,5 Liter Inhalt haben. Da dies nicht der Fall war, nutzte man den städtischen Brunnen am Marktplatz. In Gemeinschaft mit dem Nachbarn Friedrich Burdy, der hier seine große Hofreite hatte, wurde eine Wasserleitung verlegt, die von beiden genutzt wurde. 1877 wurde der Vertrag mit dem Nachbarn Philipp Hanson II und des Gemeindevorstands erneuert.

1852 hatte die Kultusgemeinde ein Vermögen von 2.422 Gulden. Darin enthalten war der Wert der "alten Schule" mit 600 Gulden. Der Lehrer wohnte unentgeltlich. Für jedes Kind musste ein Schulgeld von 1 Gulden und 20 Kreuzern gezahlt werden. Das brachte im Schnitt der Gemeinde 25 Gulden von den etwa 18 Kindern ein. Die Kinder wurden in hebräischer Sprache und in Religion unterrichtet. Außerdem mussten sie wie alle Camberger Kinder in die Elementarschule gehen. 1904 wird als letzter hier wohnender Religionslehrer Ferdinand Heymann genannt.

Im Stadtarchiv ist die Akte aus dem Jahre 1880 vorhanden, nach der die Juden den Abbruch der baufälligen Stadtmauer (zum Bungert hin) beantragen und an deren Stelle eine neue Fachwerkwand, sowie einen russischen Kamin einbauen wollen. Neben dem "Situations-Plan" vom Bezirksgeometer Künkler liegt der Akte auch eine Zeichnung über das Gebäude von Wilhelm Martin aus Camberg bei.

Am 19. Dezember 1905 kaufte Schmiedemeister Philipp Schmitt und seine Ehefrau Christine geb. Preuß die Judenschule samt Garten. Hier richteten sie eine Schmiedewerkstatt ein. Durch Um- und Anbauten wurde das Gebäude den Betriebsverhältnissen immer wieder angepasst. 1962 verlegte Martin Schmitt seinen Betrieb in die neu errichteten Gebäude an der Limburger Straße. Die ehemalige Judenschule wurde seither für andere Zwecke genutzt. Camberg hatte eine der größten jüdischen Gemeinden im Kreis Limburg-Weilburg. 1871 waren es 102 und 1927 noch 72 Personen. Ab 1933 nahm die Zahl ständig ab. In der Pogromnacht 1938 wurde die Synagoge in der Schmiedgasse zerstört. Eine fast 500- jährige Judengemeinde wurde vernichtet, die mit ihren Menschen und Gebäuden mit das religiöse, kulturelle und wirtschaftliche Leben im Camberg gestaltete.